Nachlese Ettlinger Jazzworkshop 2024

08 September 2024

Wie ich bereits gebloggt habe, fand  - traditionell in der ersten Septemberwoche - der 13. Ettlinger Jazzworkshop statt, und wieder einmal hat es sich gelohnt. 4 Tage (je nach Zählweise auch 5) Jazz und Swing mit vielen liebgewonnen Mitmusikern und neuen Gesichtern haben uns mal wieder so ziemlich alles abverlangt. Ich habe irgendwann der gefühlt jährlich steigenden Temperaturen wegen aufgehört, zu zählen wie ich oft ich duschen gegangen bin ;-)

Wenngleich ich keine genaue Zahl habe, so waren es doch ca. 75 Teilnehmer, die von einem Weltklasse-Dozententeam betreut wurden: Matthias Bergmann (tp, tb), Juliana Blumenschein (voc), Christian Eckert (g), Markus Faller (dr), Anke Helfrich (p), Thomas Katz (b),  Peter Lehel (sax), Steffen Weber (sax).



Credit Foto: Uli Pollert / Jazzclub Ettlingen e.V.


Die vielen auf dem vorstehenden Bild versammelten Berufsjahrzehnte ergeben einen riesigen Erfahrungsschatz - mein als Drummer wichtigstes Takeaway war, dass endlich meine Trades und das dafür benötigte Vokabular vernünftig abrufbar sind. Jeder Jazzer weiß um die vielen vielen Stunden, die diese doch simpel aussehenden Bausteine in ihrer Entwicklung brauchen. Das positive Feedback von Markus Faller und -was für mich persönlich noch erstaunlicher war- von Saxophon Altmeister Peter Lehel himself, in dessen Combo ich aber gar nicht war ("Du spielst immer jazziger !"). Dazu muss man sagen, daß, wer wie ich, nach ca. 17 Jahren Pop auf Jazz umsattelt, im Grunde über 50% des Handwerks neu erlernen muss, dazu die ganze Lesetechnik und die für Anfänger komplett verwirrende Notation - es war eine gewisse Andrea Hasenfuss, die dem Autor dieser Zeilen 2022 mit ganz viel Geduld bis spät nachts die Grundzüge von Form und Coda beibrachte. Völlig neue Welt. So langsam spüre ich: Ich komme nach den ersten drei Jahren im Jazz mit viel Training und Geduld so langsam mal auf Kurs. Danke auch an Sebastian (b + Ton), der mich immer wieder auf dem rechten Fuss behutsam dämpfte. (Muffkopf incoming !). 




In der Comboarbeit war ich dieses Jahr bei Matthias Bergmann. Dazu gibt es eine kleine Geschichte zu erzählen - es ist jener Matthias Bergmann, dessen Schicksal es 2022 wollte, daß mich die Workshopleitung damals in seiner Combo einschrieb. Erarbeitet wurde damals ein Hybrid aus Lullaby of Birdland und noch einem anderen Stück, das ich heute nimmer erinnere. Ich kannte als Jazz-Greenhorn mit 17 Jahren Spiepraxis im Pop / Folk damals jedenfalls beide nicht. Mein Standardrepertoire und meine Bibliothek für Phrasen war im Grunde komplett Vanilla. Das sah dann ungefähr so aus: Ein sehr nach James Hetfield aussehender 120-kg Mann mit 2 Metern Größe sitzt hinter seinem nichtsahnend mitgebrachten ungedämpften Rockset (22/12/16) und grinst optimistisch-fröhlich in die Runde - Matthias verteilte dann irgendwann Noten, und nach dem ersten Blick fiel mir erstmal die Kinnlade runter  - denn ich verstand weder inhaltlich noch spielerisch aucn nur ein verdammtes bisschen. Und dann sagte er die schicksalhaften Worte: "Da, also hier nicht so weit vor Seno, hast Du übrigens 32 Takte Solo, dann nochmal rum, dann Coda und raus. Und  (schaut zögerlich auf die ungedämpfte Bassdrum mit doppellagigem Schlagfell ) schön leise spielen, ja ? Das kannst du doch, oder ? ". ------ Nach dem ersten Versuch schaute die Horn Section betreten zu Boden und es wurde dann panisch Dämpfungsmaterial gesucht und ich wäre am liebsten kleinlaut in meinem Hardwarecase verschwunden. Ich habe vermutlich erst da wirklich  begriffen auf was ich mich da eingelassen habe.....mir ist Lampenfieber eigentlich fremd, aber das Teilnehmerkonzert 2022 in der riesigen Stadthalle war dann doch mein persönlicher Panikmoment. Nun - 2024 habe ich dann den mittlerweile zum Running Gag gewordenen 32-Takte-Solo-Witz an Matthias zurückgegeben und tatsächlich in Tom Cat - was wir leider nicht vorgetragen haben - meine ersten Gehversuche im Solo gemacht. Wir haben beide sehr herzlich - ganz ohne jede Ironie - gelacht. Das darf man dann persönliche Entwicklung nennen, und das ist es, was dieser Workshop bei uns allen leistet: Mut, neues zu wagen. Comes Love hat jedenfalls live einwandfrei funktioniert.



Die Ensemblearbeit bei Markus Faller, der gleichzeitig auch Dozent für Schlagzeug war, bescherte mir als Latin-Aficionado einen besonderen Leckerbissen - wir spielten Cocinando Suave, einen Son Montuno, den wir mit vorsichtig eingestreuten, würzigen Gitarrenriffs von Martin Künkele geschickt ein wenig in Richtung Santana bugsiert haben. Der geschätzte Stefan Ahrens ist dann noch am Flügel eingesprungen, und wir hatten mehr als einmal das Verlangen nach einem Mojito. Markus hat durch die vielen Jahre internationaler Erfahrung mit Salsabands das kubanische Rhythmusgerüst komplett verinnerlicht, der ganze Mann kocht schier über vor Spielfreude und Energie. Dann kann man nur völlig sprachlos zuschauen und sich fragen: Wie macht der Markus das ? Woher nimmt der diese unfassbare Energie ? Wie macht der aus so wenig so unfassbar viel ?



Unser jüngster Teilnehmer war 16 Jahre alt und hatte viele Fragen zu Studium, Berufsaussichten und vielem mehr. Er durfte dann ein wenig Profi-Luft schnuppern, und es wurden auch die Schattenseiten des Arbeitens als Berufsmusiker thematisiert. Ohne ganz viel Liebe zur Musik geht es einfach nicht, und vieles ist auch weniger ein Wollen denn ein Müssen. Irgendwer muss halt die Rechnungen bezahlen - wie die Engländer sagen würden: Making the Ends meet. Wenn Du da nicht die tiefe innere Einstellung und Überzeugung hast, diesen Beruf der Musik wegen zu machen, ist das definitiv nichts für Dich - die vielen hundert Stunden im Studium, die Repetitorien, die bisweilen prekäre Bezahlung, die Härten des Geschäfts im Mainstream. Da wurde dann auch klar, dass es ein Privileg und eine Ehre ist, von diesen Dozenten unterrichtet zu werden - die all das hinter sich haben, und dabei auf dem Boden geblieben sind, nicht aufgegeben haben. Es gibt somit einen Grund dafür, daß sie ihr Handwerk beherrschen, und davon und dadurch kann man sehr viel lernen.  Dafür, all das Wissen jedes Jahr weiterzugeben und den Jazz lebendig zu halten, uns allen Mut zu machen - dafür verdienen sie unser aller Respekt. 


Danke für alles !

Nächster Termin im Restaurant Lavanda in Gräfenhausen:


07.02.  20 Uhr: KONZERT TRIOVISION

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