Mit brasilianischen Farben

24 November 2024

Wie ich auf Instagram schon berichtet hatte, ergab sich unlängst die Gelegenheit, mal wieder in Ettlingen bei den Freunden vom dortigen Jazzclub zu sein, denn  die Chancen vier Ausnahmemusiker ihres Fachs zu sehen, sind nicht so breit gestreut. Beim Schreiben dieses Artikels beginnen die Probleme schon damit, nicht zu wissen, wie ich ihn betiteln soll - denn jede:r der vier Akteure ist für sich genommen eine Ausnahmeerscheinung. Daher habe ich diesen Post schlicht "mit Brasilianischen Farben" benannt. Brasilien - Ein Land, in dem ich noch nie war, aber für dessen reiches musikalisches  Erbe ich eine tiefe Zuneigung empfinde. Ein Land, dessen Kultur vor Farbe, Lebensfreude und überschäumender Lebendigkeit nur so strotzt. Dieser Überfluss zeigt sich in so vielen, kleinen Dingen - Farbe ist ganz ganz wichtig, und wir schauen uns einmal das Schlagzeug von Adriano Tenório DD an:



Adriano benutzt diese Percussionelemente zusammen mit einer mundgeblasenen Singvogel-Imitation (ich vermute es ist eine Art Pedhuá), welche ein täuschend echtes Urwald-Feel erzeugen. (um sachdienliche Hinweise wird gebeten). Gemeinsam mit Mauro Martin am Bass und Leandro Irarragorri am Piano erzeugen allein diese drei Jungs mehr Schub als man sich vorstellen
kann, mit im Grunde einfachen rhythmischen Mitteln und Figuren, die durch den sechssaitigen Bass von Mauro und die filigranen Arpeggi von Leandro auf die Spitze getrieben werden .


Immer wieder durchbrochen wird das von Leandros flächigen Elementen und alten analogen Sounds zusammem mit dem obligatorischen Konzertflügel; immer wieder treibt Adriano auf seinem Cajon diese Formation mühelos vor sich her, liefert sich mit Mauro immer wieder kleine Duelle, in denen die Spielfreude der beiden sich durch Lachen und spitzbübische Einwürfe und Hakenschläge Bahn bricht und in immer neue klangliche und rhythmische Räume vordringt. Ich bin nun wirklich kein Weintrinker und ein Weinkenner erst recht nicht - aber heute habe ich angesichts der Weinflasche am Drumset endgültig begriffen, warum die Winzer sagen, Wein wäre in einer Flasche gefangener Sonnenschein ....


Ich habe selten Musiker erlebt, die so sehr mit Erwartungshaltungen des Publikums
spielen können. Wenn man sieht, wie Mauro am Bass - gleichzeitig - mit dem Fuss eine Bassdrum spielt und mit Adriano in einem Solo verschmilzt, erzeugt das doch eine gewisse Sprachlosigkeit, wenn der Saal danach schlicht ausflippt.


h

Viviane de Farias ist - ich bin da nicht ganz unvoreingenommen - nicht nur eine der besten Dozentinnen, von der man im Latin-Umfeld lernen kann. Geboren in Ipanema ( ja, genau dort) und aufgewachsen in Rio de Janeiro und Los Angeles, ist die Ausnahmesängerin auch eine begnadete Geschichtenerzählerin. Vieles in der brasilianischen Musik erzählt Geschichten,
lebt eigentlich vom Storytellling. Mit Stücken wie "Dona Orlandino", die von Erlebnissen aus der Kindheit erzählen,  lässt Mauro als Autor uns ein wenig in seine Seele schauen, und es ist oft Viviane, die den Part der Erzählerin übernimmt. Brasilianische Lyrics sind oft sehr, sehr bunt, sehr reich an Sprachfiguren und doppeltem Boden, erzählen aber auch von Bitterkeit und Schmerz, wie in der Christianisierung (Agnus sei), aber immer, immer auch findet sich das lebensbejahende Element, wenn man lernen darf, daß Brasilianische Drummer tatsächlich oft Obstnamen haben (Milton Banana). Ohne die Fähigkeit, auch über sich selbst zu lachen, ist brasilianische Lebensfreude nicht denkbar. Viviane kann man eigentlich nur erleben,  weniger beschreiben, denn ihr unvergleichliches, minimalistisches Repertoire aus kleinen Gesten, Tonhöhen, Schweigen, Mimik, lyrischer Zugewandtheit und schützender Verschlossenheit sind die Zutaten, die es braucht, um Stücke wie "Niemals vielleicht" von Ermeto Pasqual so vortragen zu können, wie sie es kann. Dieses Team macht, es ist einfach so, sem palavras.




 
Obrigado !!!



Nächster Termin im Restaurant Lavanda in Gräfenhausen:


07.02.  20 Uhr: KONZERT TRIOVISION

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